Zwangsheirat und Schulverbot – Flüchtlinge im Gespräch

Aminata und Alimatou sind Zwillingsschwestern und leben seit einigen Jahren in Deutschland. Im Interview haben sie ihre Geschichte erzählt.

Ich bin Alimatou Traore, ich komme aus Guinea und bin mit meiner Zwillingsschwester Aminata hier in Deutschland seit vier Jahren. Wir besuchen das Rückert-Gymnasium auch seit fast drei Jahren. Wir haben uns gut in Deutschland integriert, obwohl es nicht einfach ist, alleine, ohne Eltern, in einem Land zu bleiben. Aber Gott sei Dank, dass ich mit meiner Schwester hier bin. Wir haben schon viel geschafft und sind immer noch dabei.

Wie kommt es, dass ihr fliehen musstet?

Wir hatten Schwierigkeiten mit unserem Stiefvater. Er war kein netter Mensch und wollte sozusagen eine Zwangsheirat machen. Er hatte schon alles organisiert, wir sollten auch beschnitten werden. Deswegen war meine Mutter gar nicht damit einverstanden, hat sich auch dagegen eingesetzt, aber es hat nichts gebracht. Darum meinte sie, wir sollten unbedingt Guinea verlassen und nach Deutschland gehen. Ein weiterer Grund dafür war auch, dass unser Stiefvater komplett dagegen war, dass wir zur Schule gehen.

Wie seid ihr denn nach Deutschland gekommen?

Unsere Mutter war mit einem Mann in Kontakt, der über unsere Situation Bescheid wusste. Er meinte, er kann uns helfen, wenn wir alle unsere Wertgegenstände verkaufen. Einmal um fünf Uhr morgens wurden wir geweckt und es hieß, morgen müssen wir Guinea verlassen. Wir wollten nicht und wir sagten: „Egal, was passiert, wir werden hier in Guinea bleiben und zusammen leiden“, aber unsere Mutter meinte: „Ihr seid zur Schule gegangen, anders als ich, und es wird schlecht für euch, wenn ihr hier bleibt.“ Wir haben beide geweint und sagten: „Wir wollen Guinea nicht verlassen und auch dich nicht.“ Aber sie meinte: „Ihr müsst auf mich hören. Ich weiß, warum ich das sage.“

Wir sind dann von Guinea nach Frankreich geflogen und von da aus mit dem Zug nach Berlin gefahren.

Das Ticket hattet ihr von dem Bekannten eurer Mutter?

Ja, aber wir hatten ihn nur einmal getroffen, bevor wir zusammen bis nach Deutschland reisten. Einmal ist er kurz verschwunden, um uns etwas zu essen zu kaufen, weil wir Hunger hatten, und er ist auf einmal gegangen und wir haben ihn nie mehr gesehen. Nach 15 Minuten haben wir die ganze Zeit geweint. Ein afrikanischer Mann kam und hat gefragt, warum wir weinten. Wir konnten nicht bei ihm bleiben, aber konnte uns einen Ort sagen, wo wir hingehen können, da, wo alle Flüchtlinge hingehen. Dort hat das Leben in Berlin angefangen.

Und wie ging es dann weiter?

In der Aufnahmeorganisation haben wir unsere Geschichte erzählt. „Ihr müsst nicht weinen“, haben sie gesagt. „Wir werden euch hier nicht schlagen, ihr seid hier in Deutschland, ihr müsst keine Angst haben.“

In welcher Sprache haben sie das gemacht?

Auf Malinka, unserer Muttersprache. Es gab Übersetzer. Wir sind dort zwei Wochen geblieben. Danach sind wir zwei Monate in einem Heim für Mädchen gegangen. Wir haben Deutsch gelernt, aber davor mussten wir drei Monate lang zuhause bleiben, weil es keinen Schulplatz gab.

Was habt ihr denn den ganzen Tag gemacht?

Schlafen, essen, ein bisschen Deutsch lernen mit dem Betreuer… Aber wir haben geweint, wir wollten zur Schule gehen, aber es ging nicht.

Hattet ihr Kontakt zu eurer Mutter?

Wir haben zwei Mal telefoniert, aber dann ist der Kontakt abgebrochen. Wir hatten das so organisiert, dass unsere Tante ihr ein Handy gekauft hat, aber auf einmal war die Nummer nicht mehr gültig und wir konnten sie nicht erreichen.

Und jetzt?

Jetzt warten wir einfach, 2015 hatten wir eine Anhörung am Bundesamt, aber es gab keine Antwort, aus welchem Grund, weiß keiner. Wir wollen einfach sicher sein, ob wir für immer in Deutschland bleiben können.

Die Betreuerin sagt: „Ihr müsst euch keine Sorgen machen, ihr werdet nicht abgeschoben, ihr werdet in Sicherheit in Deutschland bleiben”, aber wir wollen es einfach auf dem Papier haben: „Aminata und Alimatou, ihr werdet in Deutschland bleiben können. Für immer.“

Wie ging es denn weiter nach der Auffangstelle?

Aminata (links) und Alimatou in Berlin.

Wir waren weiterhin in diesem Heim für Schülerinnen und haben erst mal in der Waldoberschule ein Jahr Deutsch gelernt. Dann sind wir ins Luisenstift gegangen, das ist eine Einrichtung in Dahlem-Dorf, wo Deutsche und Ausländer wohnen. Wir haben eine Schule gesucht, wo die erste Fremdsprache  Französisch ist, weil wir das in Guinea auch gelernt hatten. Und so sind wir aufs Rückert-Gymnasium gekommen.

Im Moment kommen ja immer noch viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Berlin. Was würdet ihr denen mitgeben?

Es ist nicht so einfach, in einem fremden Land zu leben. Aber man kann es schaffen, wenn man will. Wenn man runterfällt, ist es nicht so einfach, aufzustehen. Man soll so denken: „Ich bin in einem fremden Land, ich möchte was schaffen, was ich will.“ Es ist immer schwer, wenn du im Kopf hast: „Ja, ich habe meine Eltern verlassen, ich bin jetzt woanders, in einer anderen Kultur, die Leute leben nicht so wie ich, die Leute haben verschiedene Hautfarben, verschiedene Sprachen” – mit denen eine Kooperation zu haben, ist nicht so einfach, aber man muss einfach tolerant sein.  

Zum Beispiel habe ich in Deutschland gesehen, dass Schüler sich mit Lehrern streiten. Wenn in Guinea ein Lehrer sagt, dass ein Schüler still sein muss, dann ist der Schüler still. Hier in Deutschland gibt es immer Diskussionen. Ich habe gesagt: „Okay, das gibt es hier in Deutschland, na gut.“ Und als ich meinte, ich hätte Angst vor Lehrern, haben die Schüler gesagt, ich brauche keine Angst zu haben, nur Respekt. Ich meinte, ich sehe keinen Respekt hier. Wenn die Schüler hier sagen, dass die Lehrer scheiße sind, dann…

…dann weinen die Lehrer (lacht)

…Genau (lacht) Und wie man sich anzieht, ist auch anders, im Sommer kann man barfuß laufen oder mit Bikini, jeder macht, was er will. So ist der Fall hier in Deutschland – oder in Berlin.

Wir danken Aminata und Alimatou dafür, dass sie bei uns waren und über ihre Situation gesprochen haben! Den vollständigen Beitrag könnt ihr euch hier anhören:

2 Kommentare zu „Zwangsheirat und Schulverbot – Flüchtlinge im Gespräch“

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