DIGGA - Teens unterwegs
DIGGA - Teens unterwegs
Alle Kategorien

DIGGA auf dem Achtung Berlin-Filmfestival | Kritik zu “Reise nach Jerusalem”

Alice ist 39, single und lebt in Kreuzberg. Wenn sie auf Partys nach ihrem Beruf gefragt wird, sagt sie:

„Ich bin Freelancerin – ich habe eine Weiterbildung zur Online-Redakteurin gemacht und betreue verschiedene Kunden.“

Das klingt zunächst nach einer gelungenen Umsetzung der „Irgendwas mit Medien“-Devise vieler Geisteswissenschaftsabsolventen, sieht jedoch in der Realität ziemlich anders aus. Denn der Traum des freiberuflichen Arbeitens bedeutet für Alice zurzeit buchstäblich, frei vom Beruf zu sein: Sie bekommt einfach keine Aufträge mehr.

Was als Germanistik- und Publizistikstudium angefangen hat, endet nun im Jobcenter. Und anschließend im Marktforschungsinstitut, wo Alice frei zu Küchenpapier und Rotwein assoziiert, um ein Honorar in Form von Benzingutscheinen zu erhalten. Doch damit lassen sich weder Miete noch Versicherung bezahlen – und ihr Auto hat sie längst verkauft.

Es ist die Leistungsgesellschaft, die die Hauptfigur von “Reise nach Jerusalem” zwingt, Reise nach Jerusalem zu spielen: ein Spiel, bei dem es neben Schnelligkeit und Durchsetzungsvermögen vor allem eines braucht: Glück – und zwar im richtigen Moment. Genau das fehlt ihr allerdings auf ihrer Reise, darum kommt sie nicht an in der Gesellschaft. Stattdessen in China. Behauptet sie, als sie betrunken ein erfundenes Praktikum in China in ihren Lebenslauf einträgt, um sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen.

Denn wenn jeder Kandidat langjährige Berufserfahrung, Stressresistenz, Zuverlässigkeit und Kreativität vorweisen kann, muss man irgendwie anders aus der Masse herausstechen, um beruflichen Erfolg zu gewährleisten. Der wiederum ist maßgeblich für das eigene Selbstwertgefühl, unerlässlich für Smalltalk und Voraussetzung für ein glückliches Sozialleben in Berlin.

Das führt das Drama der italienischen Regisseurin Lucia Chiarla uns Medienmenschen vor Augen – und zwar abwechselnd auf grotesk-komische und deprimierende Weise: Wenn die Protagonistin gegen Ende des Filmes in Unterwäsche und Socken vor dem Callboy steht und ihn fragt, ob sie für seine Dienste auch mit Benzingutscheinen bezahlen könne, weiß man als Zuschauer gar nicht mehr, ob jetzt die Komik oder Tragik überwiegt.

Im Zweifelsfall aber lacht man – in erster Linie ob der Absurdität der dargestellten Situationen; sei es das genial beobachtete und mit der Kamera perfekt eingefangene oberflächlich-herzhafte Lachen der spießigen Freunde oder der übertriebene Enthusiasmus des Bewerbungscoaches, welcher die Kursteilnehmer vorführt wie Schulkinder, wenn sie die Banalitäten, die er lehrt, nicht mindestens so ernst nehmen wie er selbst, der er mit größter Überzeugung vor einer handvoll resignierter Hartz 4-Empfänger proklamiert:

“In Ihnen allen schlummert etwas!”

Und das ist nicht die einzige Floskel, die Lucia Chiarla gekonnt einsetzt, um die Verlogenheit im sozialen Umgang zu persiflieren, die oft erst im Kontrast zur deprimierenden Realität zum Vorschein kommt. Das Lachen, das daraus folgt, ist oft ein bitteres. Genauso bitter ist es, dass Alice, großartig gespielt von Eva Löbau, am Ende des Filmes spontan bei einer Runde Reise nach Jerusalem in einer Brandenburger Kneipe mitspielt – und gewinnt. Ob sie ihren Pfefferminztee trotzdem bezahlen muss, wird nicht aufgelöst.

“Reise nach Jerusalem” läuft heute noch am 18. April um 20 Uhr im Kino Neue Kammerspiele im Rahmen des Achtung Berlin-Filmfestivals. Noch gibt es Karten!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

16. April 2018by Milena
Alle Kategorien

Eingesperrt in einem nebeligen Raum – DIGGA beim Escape Game

Diesen Artikel schreibe ich an meinem Schreibtisch. Fest steht also: Es ist uns gelungen, aus jenem nebeligen Raum (s.o.) zu escapen!

Wie, ist mir in Teilen immer noch nicht ganz klar. Denn wenn ich jetzt im Nachhinein interessierten, aber unbeteiligten Mitmenschen die Einzelheiten unseres Abenteuers schildere, wird mir immer wieder bewusst, dass meine Ausführungen etwa so wirr und surreal wirken müssen, wie wenn ich schlaftrunken von meinen Träumen erzähle: Laserstrahlen, die aus einem Tisch schießen und bei Berührung Klaviertöne auslösen, Zahlenrätsel, die indirekt die Öffnung eines verschlossenen Backofens bewirken, eine Tanzmatte, die den Blick in einen neuen Raum freigibt, sich drehende Latten und das alles im Stil von Superhelden.

Auch geschrieben stelle ich wieder fest: Es wirkt, als hätte ich mir den Irrsinn ausgedacht. Könnte man zumindest denken, wenn man nicht wüsste, dass Kreativität nun wirklich nicht zu meinen Kernkompetenzen gehört. Was allerdings beim Escape Game wider Erwarten kein großes Hindernis darstellen sollte.

Anders als der Weg zum Escape Room. Während das Konzept eines solchen Raumes darin besteht, ihn innerhalb einer Stunde durch kombinatorische Rätsel wieder zu verlassen, scheiterten Björn und ich erst einmal daran, ihn überhaupt zu betreten und  stolperten belustigt im Parkhaus des Velodroms umher. Mithilfe unseres besten Freundes GPS gelang es uns schließlich, das größte Live Escape Game Europas zu finden. Zwischen Beckenboden- und Salsatraining tat sich ein wenig vertrauenswürdiger Fahrstuhl auf, welcher uns in den fünften Stock der Storkower Straße 140 beförderte, wo wir von heulenden Stimmen, befremdlichen Statuen und freundlichen Mitarbeitern empfangen wurden.

Während der eine Teil der DIGGA-Redaktion auf den anderen wartete, konnte der wartende Teil gewisse Areale seines Gehirns schon in der Lounge warmdenken, indem er verbissen probierte, eine kleine, in einer größeren Kugel befindliche Kugel über komplexe Installationen zum Ziel zu befördern. Das Motiv des Rätsels zog sich also durch das gesamte Spektakel.

Und auch, wer keine Rätsel zu mögen glaubt: Er liegt falsch.

Vier gute Gründe, warum man einen Escape Room aufsuchen sollte:

  1. Egal, mit was für bekloppten Heinis man hingeht: Am Ende hat man sie alle ein bisschen lieber (Gruppendynamik und so).
  2. Man fühlt sich zwischenzeitlich sehr klug und kombinatorisch talentiert (auch, wenn jemand anders das letzte Rätsel geknackt hat und auch, wenn man zu keiner Zeit wirklich die treibende Kraft war).
  3. Man kann danach ohne wirklich schlechtes Gewissen zu Mc Donalds, in die Matrix, ins Bett oder sonstwohin gehen (weil man das Gefühl hat, etwas geleistet zu haben).
  4. Man hat etwas gelernt. Garantiert. Egal, ob Namen und äußerliche Charakteristika von Superhelden, Tanzen oder Kopfrechnen wiederholt – oder, wie man angemessen mitleiderregend mit den Händen wedelnd im Kreis rennt. Denn das muss man kollektiv, wenn man meint, dringend einen Tipp vom Spielleiter zu benötigen. Dieser guckt einem nämlich per Überwachungskamera zu.

 

Also. Auf! Und zwar bald. Der Escape Room ist monatelang im Voraus ausgebucht.

Ach, und noch was: Fangt am besten gleich an zu sparen. 89 bis 228 Euro werdet ihr dalassen müssen, kommt darauf an, wie viele ihr seid.

 

15. Januar 2018by Milena
Alle Kategorien

Abenteuer Ehe – es nimmt kein Ende!

Wer sich durch regelmäßiges Frequentieren des Digga-Blogs Zeuge des Digga’schen Werkens und Wirkens zu nennen wagt, hat es vielleicht schon bemerkt: Bent und ich haben uns lange nicht mehr gestritten. Zumindest nicht öffentlich.

Wagt er es zudem, Empathie zu seinen Kernkompetenzen zu zählen, so hat er sich vielleicht für uns gefreut. Doch damit weit gefehlt.

Abenteuer Ehe nimmt kein Ende – gerade nach der inspirierenden Reizüberflutung Weihnachten war es uns ein Bedürfnis, unsere Erfahrungen hinsichtlich familiärer Differenzen auch unserem guten alten Ehepaar aus unserer Hörspielreihe zur Verfügung zu stellen, auf dass ihr Zusammenleben weiterhin so konfliktreich und damit für die Internetwelt belustigend bleibe.

Denn das ist unsere Absicht. Bent und ich präsentieren stolz: Die ganze Verwandtschaft!

Diesmal steht die Silberhochzeit vor der Tür. “Willst du denn da die GANZE Verwandtschaft…?” – fragt der Gatte ängstlich – und da fangen die Probleme auch schon an. Ob man auch Tante Sieglinde einlade und wer über wen lästert – diesbezüglich gibt es natürlich wieder Meinungsverschiedenheiten, die, wie es sich gehört, in Grundsatzdiskussionen ausarten.

Noch böser wird es allerdings in der Kunstgalerie in unserem Hörspiel “Öl auf Leinwand”.

Ein fraglich ästhetisches Gemälde eines gewissen Adalbert Trauswick bietet Anlass für einen Disput, der nur noch an einem Ort getoppt werden kann: Im Bett.

In unserem Hörspiel “Nächtliche Dispute” geht es um genau das, was einem eigentlich gerne vorenthalten würde. Das haben wir nicht vor.

Im Gegenteil: Premiere feierte dieses Hörspiel sogar auf einer Bühne – und zwar bei LSD – Liebe Statt Drogen! Ein Live-Mitschnitt der Lesung steht selbstverständlich auch nochmal auf der Soundcloud herum:

Es ist unschwer zu erkennen und für uns doch wieder erstaunlich: Abenteuer Ehe geht immer weiter! Schon 14 Folgen sind mittlerweile online, 14 Mal Alltagsirrsinn, Situationskomik und eloquente Wortgefechte. Wann der nächste Streit kommt? Bestimmt bald.

Schaut einfach regelmäßig vorbei, man wird es hören! Und damit: Guten Rutsch!

29. Dezember 2017by Milena
Alle Kategorien

Was darf ich hoffen? – DIGGA philosophiert

Was darf ich hoffen, woran kann ich glauben? Damit beschäftigt sich die dritte Kant-Frage – und auch wir von DIGGA.

Was ist der Unterschied zwischen Deismus, Theismus, Fatalismus und Atheismus? Und was ist ein Agnostiker? Dazu hier:

20. Dezember 2017by Milena
Alle Kategorien

Was soll ich tun? – DIGGA philosophiert

Heute widmen wir uns der zweiten Kant-Frage. Diese lautet: Was soll ich tun? und beschäftigt sich mit der Ethik, also der praktischen Philosophie.

Was hat es mit der Goldenen Regel, dem Utilitarismus und vor allem mit dem sagenumwobenen kategorischen Imperativ von Immanuel Kant auf sich? Das erfahrt ihr im folgenden Video:

1. November 2017by Milena
Alle Kategorien

Was ist Philosophie? – DIGGA philosophiert

Glatzköpfige Pollunderträger mit Drahtbrille barfuß unter einem Ginkobaum, die über Wiedergeburt und Seelenkräfte sinnieren und sich dabei auf dem Höhepunkt ihrer geistigen Fähigkeiten zu befinden glauben, während ihnen vor mentaler Brillanz der Joint aus der flachen Hand rollt.

„Was ist der Mensch?“, fragen sie sich – „Ist die Welt real?“ – und wirken mit ihrer Philosophie auf Außenstehende meist pseudointellektuell, weltfremd und wenig zielführend.

Mit diesem Vorurteil wollen wir aufräumen! Darum haben wir ein neues Format ins Leben gerufen: “DIGGA philosophiert!”

Hier Teil 1 zum Thema: Was ist Philosophie? – Die vier Kant-Fragen

25. Oktober 2017by Milena
Alle Kategorien

“Herr Wartke, ich schätze Sie!”

So wurde Bodo Wartke, einer der bekanntesten Berliner Liedermacher und Klavierkabarettisten, vor kurzem auf der Straße begrüßt.

Das erzählte er uns übrigens, als wir ihn bei ALEX begrüßen durften – und darüber hinaus noch sehr viel mehr, doch das schaut ihr euch am besten einfach an.

Spoiler: Es geht um ihn, ums Dichten, ums Klavierüben und um seinen deprimierendsten Auftritt. Aber längst nicht nur.

6. Oktober 2017by Milena
aktuelle Events, Alle Kategorien

Digga auf dem Jugendforum

Schon gleich zu Beginn wird deutlich: Milena steht voll auf das Jugendforum!

“Es fällt aus!” – so hieß es schon,
die Folge: Improvisation

Unter diesem Motto steht dieses Jahr das Jugendforum, eine Veranstaltung, die nicht nur Opfer des bipolaren Wetterfrosches wurde, sondern primär dafür da ist, Jugendlichen eine Stimme zu geben, wenn es um politische Entscheidungen geht.

 

 

 

 

Wie das Jugendforum entstanden ist und was ihre Aufgabe ist, erklärt uns Projektmanagerin Nesreen im Interview:

Von ebendiesen Jugendlichen sind auch zahlreiche vertreten, die entweder für die Bespaßung auf der Bühne zuständig sind, ihre Stände vorstellen oder einfach als Besucher dafür sorgen, dass das Jugendforum eine lohnenswerte Unterrichtsalternative ist. Denn wer am Jugendforum teilnimmt, bekommt tatsächlich eine offizielle Unterrichtsbefreiung. Doch das sollte nicht der einzige Grund sein, heute zum Pfefferberg am Senefelder Platz zu reisen.

Das schlechte Wetter konnte die gute Laune nicht mindern. Ein weiterer Grund: Das köstliche Essen!

Aufgrund des gestrigen Unwetters hieß es nämlich erst, das Jugendforum falle aus, da beim Aufbau auf dem Tempelhofer Feld die Zelte von dannen geschwommen seien.

Ein Glück, dass die Herrschaften vom Pfefferberg so liebenswürdig waren, dem Jugendforum die Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Hier findet nun – überdacht – ein buntes Programm statt, das von Poetry Slam über Diskussionen mit Politikerinnen wie Sandra Scheeres (SPD) und Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) bis zu Tanzvorführungen reicht.

Die Digga-Redaktion hatte das Glück, mit der Senatorin für Bildung, Jugend und Familie sprechen zu können. Hier könnt ihr euch das Interview mit Sandra Scheeres in voller Länge anhören.

Was andere Besucherinnen und Besucher für wichtige politische Themen halten und über welche ihrer Meinung nach zu viel diskutiert wird, erfahrt ihr hier:

Zwischendurch hat man Zeit, sich bezüglich verschiedener Möglichkeiten zur Jugendbeteiligung zu informieren.

“Oma hat was gegen Flüchtlinge” – so lautet es auf einer Karte der Inititative “Junge Gegenargumente”, die ein Rhetorik- und Argumentationstraining anbieten, damit gerade junge Menschen rechtsmotivierten Hassparolen gute Argumente entgegensetzen können.

Aicha beim I,slam.

Vorsichtshalber ist rechtem Gedankengut in personifizierter Form sowieso der Zutritt zum Jugendforum untersagt – schließlich steht die Veranstaltung in erster Linie für interkulturelle Toleranz.

Aus diesem Grund sind auch viele muslimische Jugendliche dabei, zum Beispiel vom “I,slam”, einem Poetry Slam speziell für junge Muslime, die sich kritisch in Textform zu aktuellen Themen äußern.

 

 

 

 

Was die Grundstimmung bezüglich aktueller Themen ist, könnt ihr in folgendem Beitrag erfahren :

6. Juli 2017by Milena
Alle Kategorien, Berühmt, Lifestyle, unterwegs

Digga auf der TINCON

Spacefrogs, Sick und Sonneborn

Mit Grumpy Cat und Unicorn

Digga ist auf der TINCON, der Teenage Internetwork Convention. Allerdings nicht allein.

Denn neben unserer Redaktion sind auch diverse Youtuber und andere Öffentlichkeits- und Medienmenschen anwesend, die auf den zwei Bühnen ihre Ansichten kundtun – vor allem bezüglich Themen wie Politik, Bildung, Games und Medien.

Wo kurz zuvor noch Tim Edler über das Flussbad in Berlin informiert hat, steht nun Martin Sonneborn von der Partei die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative und proklamiert stolz seine Meinung zu Böhmermann, der FDP und Helmut Kohl. Währenddessen erklären Alessandro Schuster und Jonas Klocke auf der U21 Bühne, wie man Filme schneidet.

Bei so vielen spannenden Vorträgen weiß die Digga-Redaktion gar nicht, wo sie anfangen soll mit den Interviews.

Schließlich hat sie sich aber doch entschieden. Wofür, seht ihr in den Videos, die Stück für Stück in der virtuellen Welt auftauchen werden.

Ralph Caspers  kennt man aus Wissen macht Ah! Er ist Moderator, Autor und Schauspieler und hat sich dieses Jahr auf der TINCON zu Tinder geäußert, einer der populärsten Partnersuchbörsen im Internet.

Mit uns hat er allerdings primär über Kekse und Schokolade geredet.

Im Gespräch mit Martin Sonneborn standen wieder ganz andere Themen oben auf der Liste. Nicht nur um die Grünen ging es, sondern auch um Männer BHs, Anglizismen und Wattestäbchen.

Herzlichen Dank an dieser Stelle für die bereichernde Auskunft!

25. Juni 2017by Milena
Alle Kategorien, Gender

Feminismus | Warum wir das Ziel verfehlt haben

Alle Menschen sind gleich. Klingt gut? Nur dass uns eines im Wege steht: Die Biologie. Warum wir das Ziel verfehlt haben.

„Wir können ja was zum Thema Feminismus machen!“

Als dieser Vorschlag in der Redaktionssitzung fällt, wird er erst einmal mit allen nonverbalen Gefühlsäußerungen kommentiert, die der genervte männliche Körper so zu bieten hat: Stöhnen, Grunzen, geräuschvolles Ausatmen. Es fallen Begriffe wie Alice Schwarzer, Genderwahn und First World Problem.

Auch Frauen dürften doch mittlerweile wählen, darüber hinaus hätten wir eine Kanzlerin – was wolle man denn noch?

Etwa eine Frauenquote in allen Unternehmen? Es werden Vögel gezeigt. Nicht, dass es im Betrieb so zugehe wie mit dem Quotenschwarzen in französischen Komödien. Der arme Omar Sy habe doch sicher kaum noch Freizeit aufgrund des westeuropäischen Gleichberechtigungswahns.

Mal wieder einer dieser Ausdrücke, die nur von denjenigen verwendet werden, die nicht von ihm betroffen sind. Wer im Wahn ist, handelt nicht rational, sondern emotionsgesteuert – typisch Weiber halt.

Und ein trotziges „Pussies bite back“-Geblöke aus den Mündern viertelbekleideter Kampflesben erinnert nun mal doch mehr an unbeholfene Dreijährige im Kampf gegen das elterliche Bonbonverbot als an konstruktive Gesellschaftskritik.

Die wäre allerdings durchaus angebracht, jedoch an anderer Stelle.

Ein positives Beispiel hingegen ist das Female Rap Konzert, das die DIGGA-Redaktion besucht hat:

Es scheint offensichtlich, dass Frauen auch heute noch ungerecht behandelt werden. Schließlich verdient Frau dem Statistischen Bundesamt zufolge durchschnittlich 21% weniger als ihr männliches Gegenstück. Allerdings nicht aus männlicher Boshaftigkeit und grundloser Ungerechtigkeit, wie manch erzürnte Emanze es gerne behauptet. Denn trotz neuartiger Klonexperimente, Samenspende und künstlicher Befruchtung bleibt noch ein Sachverhalt, an dem sich nicht rütteln lässt: Frauen kriegen Kinder.

“FIGHT SEXISM” steht auf Lauras Handyhülle.

Das heißt, Frauen steigen seltener die Karriereleiter hinauf, auf der höhere Gehaltsstufen auf sie warten würden, weil eine Geburt sie wieder hinabstürzen ließe. Es sei denn, sie erziehen ihrem Kind durch zu frühes und widernatürliches Abstillen Allergien und Sozialprobleme an, um sich möglichst schnell von der Mutterrolle zu distanzieren. Es ist ja auch praktisch für die egoistische Powerfrau des 21. Jahrhunderts – das ungeborene Kind kann man ja nicht fragen, ob es lieber eine reiche, sich selbst verwirklichende Mutter hat oder eine, die für es da ist – und zwar die ersten Jahre, nicht nur im Kreissaal. Dass heute die Option, auch der Mann könne zuhause bleiben, durchaus präsent ist, entkräftet nicht die Tatsache, dass der Stress der Mutter, verursacht durch einen sofortigen Wiedereinstieg ins Berufsleben und die damit einhergehende Doppelbelastung, sich in vielen Fällen auf das Kind überträgt und sogar lebenslange Auswirkungen haben kann.

Praktisch bleiben übrigens viele Frauen von sich aus auf niederen und damit schlechter bezahlten Positionen, um flexibler zu sein, weil sie Prioritäten gesetzt haben. Die 21% bedeuten also nicht, dass Frauen bei der gleichen Tätigkeit weniger Einkommen haben als Männer, sondern dass ihnen insgesamt weniger selbst verdientes Geld zur Verfügung steht, weil sie

a) schwanger geworden sind und ihr Kind nicht bei einem gerne mal verantwortungslosen studentischen Babysitter abgestellt haben

b) nicht eingestellt worden sind, weil sie hätten schwanger werden können (was einen Verlust für das Unternehmen bedeutet hätte, weshalb man das Risiko unter Umständen nicht eingegangen ist)

c) lieber Friseurin (8,84€/h) statt Bauarbeiter geworden sind (14,20€/h)

Rapperin Sookee ist deutschlandweit sehr erfolgreich, und das als Frau mit Kind in einer von Männern dominierten Szene. Im Interview sprechen wir mit ihr auch über dieses Thema:

Es ist Girl’s day! Frauen, packt mit an, zeigt den Männern, was in euch steckt!

Schlecht bestückte Frohnaturen greifen euphorisch zur Bohrmaschine. „Es sollte doch vielmehr darum gehen, die Gegensätze der Geschlechter auszugleichen!“, heißt es auch schon in Loriots vielzitiertem Spielfilm Pappa Ante Portas – ein Motto, welchem man sich schon in den 70er-Jahren mit Begeisterung widmete, indem man Mädchen wie Jungen an- und erzog.

Ein klares Streben nach Geschlechtergleichheit, dem heutigen Zeitgeist nicht fremd. Oder?

Was nicht gleich ist, wird gleich gemacht – spätestens in der DDR wurde nachgewiesen, dass eine vollkommene Gleichheit aller Menschen nicht nur nicht realisierbar, sondern auch nicht wirklich sinnvoll ist, jedoch unabhängig von Gleichwertigkeit. Die bei verschiedenen Individuen anzuzweifeln, haben wir nämlich endlich aufgehört, wenn auch nach zu langer Zeit.

Nun müssen wir aufhören zu behaupten, es gäbe keine Geschlechterunterschiede, denn sie sind faktisch nicht von der Hand zu weisen.

  • Frauen kriegen Kinder. (Und zwar nur Frauen, denn egal, wie lang die Wissenschaft noch so herumforscht, aus dem Mann wird nie etwas Lebendiges herauskommen – außer vielleicht ein Bandwurm, aber das sei ihm nicht zu wünschen.)
  • Frauen besitzen weniger Testosteron, sondern weibliche Hormone, deshalb sind sie in den meisten Fällen emotionaler und sensibler, wohingegen sich langsamer Muskelmasse ausbildet. (Darum gibt es mehr Bauarbeiter und mehr Friseurinnen.)

Beides ist überhaupt kein Problem, solange kein Geschlecht dadurch grundlos benachteiligt wird. Solange dadurch nicht Sexismus gerechtfertigt wird. Den aus den Köpfen zu verbannen, wird allerdings schwer.

Denn das meiste, was unsere Gesellschaft prägt, deutet darauf hin, dass Sexismus sogar erwünscht ist. Wieso sonst blaue und rosafarbene Überraschungseier, wieso Filly Pferde und feuerspuckende Autos? Hörspiele für vierjährige Mädchen, in denen sich die Feechen und Hexchen den Kopf zerbrechen, wie sie den hotten Boy von ihrer Sweetness überzeugen können. Zieh dich verspielt an, dann weckst du seinen Beschützerinstinkt; in fünf Schritten deinen Schwarm erobern! Solange man jene Geschlechterklischees in Bravo-Girl-Form in mehr Kiosken findet als das Satiremagazin Titanic, läuft etwas ganz, ganz falsch.

Etwas, das es weitaus dringender zu bekämpfen gilt als ungegenderte Formulare.

Wenn Mädchen sich durch sexistische Mädchenzeitschriften und pinkfarbenes Spielzeug, das tanzt, leuchtet und wiehert, zu primitiven, zickigen Girlie-Gören entwickeln, während Jungs schon mit drei enthusiastisch im Wohnzimmer den Krieg aus den Ninja-Filmen nachspielen – dann sieht es ganz so aus, als sei eine andere Macht im Spiel, gegen die nicht nur Feministen sehr viel dringender zu kämpfen haben:

Der Konsum.

Denn früh anerzogene Geschlechterklischees bedeuten Geld. Ein rosafarbenes und ein blaues T-Shirt kosten mehr als ein gelbes, das sowohl der Junge als auch das Mädchen tragen kann, zwei Farben bedeuten zwei Produkte, zwei Produkte zwei Mal so viel Verdienst. Doch für uns ist Sexismus teuer, jedenfalls bevor er gratis in den Köpfen weitergedeiht. In den Köpfen all derer, die ihren Söhnen verbieten zu weinen, in schlagende Burschenschaften eintreten und Bier trinkende Frauen verurteilen – obwohl durch das Östrogen im Bier sogar das Brustwachstum angekurbelt wird, wofür die Figur einiger Herren im Ruhestand ein Musterbeispiel darstellt.

Der Feminismus hat das Ziel verfehlt. Natürlich wollen wir Frauen keine billigen Anmachsprüche mehr hören und auf unser Äußeres reduziert werden. Genauso wollen wir nicht, dass man uns beim nächtlichen Lustwandeln in Neukölln in den Schritt fasst oder dass man uns für inkompetent hält und deshalb in der Digga-Redaktion von Kamera, Scheinwerfer und Mischpult fernhält. Natürlich ist das ein Problem der ersten Welt, da es erst auftritt, wenn alle Haus, Dach und Essen haben. Bestätigende Blicke des männlichen Teils Digga-Redaktion. Und Alice Schwarzer? 

„Nicht unsere Integrierung ist wünschenswert, nicht die Vermännlichung der Frauen, sondern die Vermenschlichung der Geschlechter.“ So lautet eines der vermutlich bekanntesten Zitate der vermutlich bekanntesten Feministin des 20. Jahrhunderts.

Und obwohl man nicht gegen Bratpfannenhersteller klagen muss und Steuerhinterziehung nicht unbedingt das adäquateste Mittel im Kampf gegen Sexismus ist, muss man sagen – irgendwie hat die Alte Recht.

Weil wir das Thema Feminismus so spannend finden, haben ihm eine ganze Volltreffer-Fernsehsendung gewidmet. Wenn ihr noch mehr dazu erfahren wollt, schaut es euch an:

17. Juni 2017by Milena
Page 1 of 61234»...Last »

Digga – Die elektronische Schülerzeitung

Wir sind eine freie und offene Schülerredaktion im Alter von 8 bis 18 Jahren. Wir berichten über Themen, die uns interessieren und versuchen die vielen Fragen, die wir uns über die Welt stellen, auf unsere Art zu beantworten.

Folge Uns

Zwischen Löwenkindern und Essstäbchen – YouTuber und wir

Oh, du bist du hetero?! – Webreportage

Was ist was? – Auf der Media Convention 2017

“I started with Brixton to provide you with daily fresh new ideas about trends. It is a very clean and elegant Wordpress Theme suitable for every blogger. Perfect for sharing your lifestyle.”

Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen

 

Cookie-Zustimmung verwalten
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig, während andere uns ermöglichen unser Onlineangebot zu verbessern oder Inhalte von Drittanbietern anzuzeigen.
Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Funktional Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt. Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.
Optionen verwalten Dienste verwalten Anbieter verwalten Lese mehr über diese Zwecke
Einstellungen
{title} {title} {title}