Man muss einfach mal weg gewesen sein

Seit etwas mehr als einer Woche bin ich jetzt wieder zurück in Deutschland und es kommt mir vor, als sei ich nie weg gewesen.

Das hatte ich nicht unbedingt erwartet, als ich am Ende der Sommerferien – unter anderem deswegen – gemischter Gefühle ins mehr oder weniger Ungewisse aufbrach.

Jetzt im Nachhinein kann ich meinen dreimonatigen Auslandsaufenthalt in mehrere Abschnitte unterteilen und habe festgestellt, dass das, was ich während dieser verschiedenen Abschnitte erlebt und empfunden habe, ziemlich genau mit der sogenannten Akkulturations- oder auch Kulturschockkurve übereinstimmt:

kulturschock

Als ich in Frankreich ankam, war ich erst einmal uneingeschränkt glücklich.DSC00537

Ich war aufgeregt und freute mich auf das, was mir bevorstand, was immer es auch sein mochte.

Jetzt, drei Monate später, glaube ich kaum, dass mir damals bewusst war, dass ich dort jetzt wirklich drei Monate verbringen würde. Gut, vermutlich war mir das schon klar – ich hatte zumindest bei vollstem Bewusstsein den Vertrag unterschrieben – aber ich denke, ich hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht realisiert, wie lang drei Monate wirklich sind. Ich sah das Ganze als normale Reise – jeden Tag neue Eindrücke und Erlebnisse, alles war neu, aufregend und spannend. Dieses Gefühl hielt etwa anderthalb Wochen an.

Danach hatte ich mich eingelebt und das vorher Neue wurde zum Alltag. Etwa nach dem ersten Drittel gab es ein erstes „Tief“. Damit bestätige ich auch vollkommen die Erfahrungen aller anderen, die eine längere Zeit von zu Hause weg waren. In meiner Gastfamilie war es nicht einfach, die ersten Konflikte traten auf.

Und irgendwann ging es dann trotzdem wieder bergauf.

Auf der Hälfte der Zeit kam mich meine Mutter besuchen, was eine willkommene Abwechslung bot, dann waren zwei Wochen Ferien, die irgendwie auch noch einmal ein Abschnitt für sich waren, und als danach die Schule wieder anfing, war alles anders:

Während ich in den Wochen zuvor das Gefühl hatte, mich zwischen Urlaub machen und leben zu befinden und auf den Vorschlag meiner Mutter, früher schon nach Hause zu kommen, hin entgegnete, das wäre jetzt auch komisch, ich sei noch nicht lange genug hier, stand ich jetzt an einem Punkt, an dem ich der Meinung war, jetzt könnte es ruhig vorbei sein. Trotzdem schienen mir die letzten vier Wochen, die mir noch blieben, überschaubar. Ich fing an, nicht mehr in Wochen/Monaten zu zählen, die ich schon geschafft hatte, sondern rückwärts.

Zwei Wochen vor meiner Rückkehr kam es zu neuen Konflikten in der Gastfamilie, was ich aus Gründen der Diskretion hier nicht näher ausführen möchte, aber es waren jetzt nur noch zwei Wochen.

Ab dem Zeitpunkt zählte ich wirklich die Tage, obwohl es sonst im letzten Drittel – abgesehen von der doch letzten Endes extrem problematischen Situation in der Gastfamilie – immer schöner wurde. Ich hatte mich nun endlich richtig in die Klasse in Frankreich integriert und konnte meine in den Herbstferien ausgearbeiteten Pläne bezüglich der Umgehung der strengen Regeln meiner Gastmutter endlich in die Tat umsetzen (Beispiel: Geheimes Süßigkeitenversteck).

In der letzten Woche wuchs meine Freude auf zu Hause ins Unermessliche, sodass ich nachts regelmäßig von meinem Alltag in Deutschland träumte und sogar die BVG vermisste, was ich jetzt selbstverständlich überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann.

Doch als ich mich dann am letzten Schultag von allen meinen Freunden und auch von allen Lehrern in Frankreich verabschieden musste, war ich irgendwie doch ein bisschen traurig. Die bekloppten Franzosen würden mir vielleicht entgegen aller Erwartung doch fehlen.

Und wieder anders als erwartet, aber genau wie vor meiner Zeit in Frankreich, kam ich gemischter Gefühle an.

Jetzt plötzlich einfach wieder da zu sein, war toll, aber gleichzeitig auch merkwürdig, irgendwie ungewohnt und sehr irritierend.

 

Und jetzt?

Seit etwas mehr als einer Woche bin ich jetzt wieder zurück in Deutschland und es kommt mir vor, als sei ich nie weg gewesen.

Und trotzdem weiß ich ja, dass ich weg war, und obwohl es wirklich nicht so einfach war, bin ich unglaublich froh, es gemacht zu haben, weil man einfach alles daheim so zu schätzen lernt. Es ist einfach etwas, was man mal gemacht haben muss.

Man muss einfach mal weg gewesen sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen